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DAS THEMA „EINSAMKEIT“


Das Belluard Festival lädt Künstler aus Freiburg, aus der Schweiz und aus der ganzen Welt dazu ein, künstlerische Projekte zur Realisierung vorzuschlagen, die sich thematisch mit dem Phänomen der Einsamkeit auseinandersetzen. Einsamkeit ist ambivalent: Auf der einen Seite ist individuelle Vereinsamung eine Fehlfunktion der heutigen Gesellschaft, auf der anderen Seite kann selbst gewählte Isolation auch ein Akt des Widerstands und der Selbstermächtigung sein.  

Der Neoliberalismus hält zu wettbewerbsorientiertem Eigennutz und extremem Individualismus an. Der isolierte, vereinzelte Selbst-Unternehmer ist eine weit verbreitete gegenwärtige Produktionsweise. Und zahlreiche alte Menschen in der westlichen Welt erleben das Ende ihrer Tage in Einsamkeit. Dabei ist der Mensch ein sozial lebendes Säugetier, welches, wie Experimente gezeigt haben, sogar körperlichen Schmerz der Isolation vorzieht. Nicht ohne Grund gilt in Gefängnissen Isolationshaft als eines der effektivsten Strafinstrumente, und soziale Isolation löst unbestritten auch gesundheitliche Probleme aus. Was läuft also schief in unserer Gesellschaft, die eine ständige Hysterisierung von individuellen Intensitäten betreibt, auf Kosten echter Gemeinschaft und dauerhafter Beziehungen?  

Das Bedürfnis, allein zu sein ist allerdings ebenso tief in der menschlichen Psyche verwurzelt. Einsiedler, Misanthropen, Asketen, Eigenbrötler und Sonderlinge hat es zu jeder Zeit in der aufgezeichneten Geschichte über alle Kulturen hinweg gegeben. Viele kehren der Welt aus religiösen Gründen den Rücken, auf der Suche nach einer engeren Bindung mit einer höheren Macht. Andere entscheiden sich gegen die Zivilisation, weil sie die Welt ablehnen wie sie ist – die Kriege, die Zerstörung der Umwelt, Verbrechen oder Konsumkultur. Und schliesslich gibt es diejenigen, die auf der Suche nach künstlerischer Freiheit, wissenschaftlicher Erkenntnis oder einem tieferen Selbstverständnis allein sein wollen. Ist Einsamkeit also ein Akt des Widerstandes gegen die bestehende Ordnung?  

Im spezifischen Kontext von Freiburg schliesslich, erzählt sich Einsamkeit auch an konkreten Orten und Praktiken: in der historischen und zeitgenössischen Isolation des Rückzugs ins Kloster beispielsweise (von denen es in Freiburg drei gibt) oder auch in der historischen und zeitgenössischen Abgeschiedenheit des ländlichen Lebens (beispielsweise der Senner in den Alpen). 

Welchen Raum gesteht die heutige Gesellschaft also jenen zu, die der Mainstream-Ideologie des glücklichen Lebens innerhalb der konsumierenden Gemeinschaft nicht folgen wollen? Muss eine Veranstaltung wie ein Festival zwangsläufig immer Gemeinschaft stiften, oder sind die radikalsten künstlerischen Erlebnisse womöglich auch die einsamsten? Oder ist Gemeinschaft eine Bedingung, um auf erfüllende Weise allein sein zu können?